Eure Sicherheit liegt uns sehr am Herzen, weshalb ich mich hier mit einem der wichtigsten Teile der Schutzausrüstung auseinander setzen werde: dem Helm!
In letzter Zeit sieht man immer mehr Spieler mit Hockeyhelmen anstatt den klassischen Skatehelmen. So sah man bei den WFTDA D1 Playoffs sogar ganze Teams, wie z.B. Montreal, mit Hockeyhelmen.
Aber wieso eigentlich? Die schauen doch so komisch aus?! Kurz gesagt, weil sie um einiges sicherer und besser für Derby geeignet sind als herkömmliche Skate- oder Fahrradhelme.
Bevor ich ins Detail gehe, schauen wir uns aber erst einmal an, weshalb wir überhaupt Helme tragen und welche Arten von Helmen momentan im Roller Derby genutzt werden.
Wir tragen Helme, um unser Gehirn vor einem Schädel-Hirn-Trauma (Gehirnerschütterung) oder Schlimmerem zu schützen.
Bei einem Aufprall auf den Kopf wird der Schädel abrupt abgebremst, das Hirn bewegt sich durch seine Trägheit jedoch weiter und prallt gegen den Schädel. Dabei werden die Verbindungen (Axon) zwischen den Nervenzellen (Neuronen) stark gestreckt oder reißen sogar ab.
Schädel-Hirn-Traumata oder kurz SHTs sind auf den ersten Blick nicht sofort erkennbar, da sie meist ohne schwere Schädelverletzungen einhergehen. SHTs sind jedoch keine Verletzungen, die man auf die leichte Schulter nehmen sollte, da sie zu schweren Komplikationen wie Hirnblutungen führen können.
Ausführliche Informationen zu SHTs findet ihr u.a. auf http://www.schaedelhirntrauma.net/
Anzeichen für ein SHT
1. Sichtbare Hinweise
- – die Person liegt regungslos am Boden, kommt schwer und nur sehr langsam wieder auf die Beine
- – sie ist wackelig auf den Beinen, hat Balance-Probleme oder fällt gar um, sowie Koordinationsprobleme
- – die Person hält sich den Kopf
- – sie ist verwirrt und sich der aktuellen Situation nicht bewusst
2. Zeichen und Symptome
- – Kopfschmerzen
- – Übelkeit
- – Verwirrtheit
- – doppeltes Sehen / verschwommene Sicht
- – Druck im Kopf
- – Genickschmerzen
- – Konzentrationsschwäche
- – Geräuschempfindlichkeit
- – nervös oder ängstlich
- – Unwohlsein
- – die Person übergibt sich
3. Gedächtnis Funktionen testen
- – „In welcher Sporthalle sind wir heute?“
- – „In welcher Halbzeit spielen wir?“
- – „Wer führt momentan?“
- – „Hat dein Team im letzten Spiel gewonnen?“
- – „Welchen Tag haben wir heute?“
- – …
Sollte ein oder mehrere der folgenden Dinge nach einem Sturz zutreffen, ruft UMGEHEND den Rettungsdienst (Telefon DE 112, AU/CH 144)!
- – Beschwerden über Nackenschmerzen
- – wiederholtes Übergeben
- – wenn die Person immer stärker verwirrt und irritiert ist
- – Krampfanfälle oder Zuckungen
- – Schwäche in den Armen oder Beinen, wenn die Arme oder Beine „einschlafen“
- – wenn sich der Bewusstseinszustand verschlechtert
- – schlimmer werdende Kopfschmerzen
- – unübliche Verhaltensänderungen
- – doppeltes Sehen
Bei Bouts sollten daher immer Sanitäter vor Ort sein, stürzt jemand im Training sollten die üblichen Erste-Hilfe-Maßnahmen durchgeführt werden. Eine betroffene Person, die bewusstlos ist, nicht bewegen, solange keine Erstickungsgefahr besteht und nicht den Helm abziehen, außer ihr seid für solche Situationen ausgebildet!
Als nützliche Checkliste gibt es das „Pocket Concussion Recognition Tool“ das unteranderem in Zusammenarbeit mit dem IOC, IIHF und der FIFA ausgearbeitet wurde.
Ausdrucken und ab damit in die Sporttasche!
Weitere Infos: http://www.playsafeinitiative.ca/concussion-consensus.html
Vergleich der im Derby genutzten Helmtypen
Damit solche Verletzungen gar nicht erst entstehen, brauchen wir einen guten und sicheren Helm. Zwar bietet kein Helm hundertprozentige Sicherheit gegen Verletzungen, gute Helme reduzieren das Risiko aber drastisch!
Folgende Helme werden momentan im Roller Derby verwendet:
1. Unzertifizierte Weichschaumhelme
2. ASTM / CPSC zertifizierte Hartschaumhelme
3. HECC zertifizierte Hockeyhelme
1. Unzertifizierte Weichschaumhelme
Beispiele hierfür sind die Triple 8 Brainsaver mit SweatSaver Liner oder die S-One Premium-Helme. Diese gehören mit zu den schlechtesten und gefährlichsten Helme.
Sie bestehen aus einer relativ weichen, äußeren Plastikhülle mit einem einfachen Schaumgummipolster. Bei einem Sturz nehmen sie keine bis sehr wenig Energie auf. Stattdessen wird die gesamte Aufprallenergie an das Gehirn weitergeleitet. Diese Helme schützen mehr oder weniger nur vor Schürfwunden am Kopf.
Um das Risiko etwas bildhafter darzustellen: Man könnte sich genau so gut Luftpolsterfolie um den Kopf wickeln… Das klingt jetzt sehr dramatisch, ist es aber leider auch. Durch das weiche Polster sind diese Helme sehr bequem und deshalb beliebt, doch der Schein trügt hier.
Bitte lasst die Finger von solchen Helmen!
2. ASTM / CPSC zertifizierte Hartschaumhelme
Beispiele hierfür sind die TSG Evolution Helme, Triple 8 Brainsaver CPSC, S-One Lifer, Nutcase Crossovers. Diese Helme sind um einiges sicherer und für hohe Aufprallgeschwindigkeiten konzipiert.
Sie bestehen neben der Plastikhülle aus einem EPS oder EPP Kunststoff, der die Aufprallenergie aufnimmt. Bei einem Sturz wird der styroporartige Schaumstoff zusammengeknautscht und absorbiert so den Sturz. Achtung! Der Kunststoff bleibt geknautscht und kehrt nicht in seine ursprüngliche Form zurück. Daher müssen diese Helme nach einem Sturz auf den Kopf oder dem Zusammenstoßen von Köpfen ausgetauscht werden, da der Schutz nicht mehr zu 100% gegeben ist.
Es gibt auch so genannte „Multi Impact Helme“ mit einer härteren Außenschale, die für mehrere leichte Aufprälle (Zusammenstoß mit dem Kopf eines Mitspielers) ausgelegt sind. Auch sie sollten jedoch nach mehreren Zusammenstößen oder einem Aufprall auf den Boden ausgetauscht werden.
Bei einem sehr starken Aufprall kann es passieren, dass die Außenschale des Helmes bricht. Was schlecht klingt, ist eigentlich gut, da dabei sehr viel Energie aufgenommen und nicht in den Kopf weitergegeben wird. Weisst euer Helm Außen kleine Risse auf, oder der Schaumstoff zeigt Beschädigungen, krümelt, löst sich auf… ist es an der Zeit für einen neuen Helm.
Generell sollte diese Art von Helmen je nach Benutzung alle ein bis zwei Jahre ausgetauscht werden, auch wenn sie keine deutlichen Verschleißerscheinungen aufzeigen oder schwere Stürze hinter sich haben. Die Polster und Kunststoffe reagieren mit der Zeit mit dem Schweiss, werden poröse oder lösen sich auf. Mal liegt der Helm in der prallen Sonne, fällt einem aus der Hand oder baumelt am Rucksack und schlägt gegen Wände. Alles Dinge, die die Lebensdauer und Sicherheit eurer Helme verringern.
3. HECC zertifizierte Hockeyhelme
Beispiele sind der Bauer 4500, Cascade M11 oder die Easton S-Series. Sie sind entworfen und getestet um mehrere Aufschläge über einen längeren Zeitraum aushalten zu können. Sie wurden für eine Kontaktsportart mit hohen Geschwindigkeiten und schweren Stürzen konzipiert.
Sie bestehen aus einer harten Außenhülle und einem speziellen weicherem Schaumstoffpolster, das beim Aufprall die Energie absorbiert, danach jedoch in seine ursprüngliche Form zurückkehrt und nicht zusammenknautscht, wie bei Skate- oder Fahrradhelmen. Dadurch sind Hockeyhelme besser für die starken Beanspruchung beim Roller Derby geeignet. Ein weiterer Pluspunkt ist die Verstellbarkeit der Hockeyhelme. Anders als Skate- oder Fahrradhelme, die in mehreren festen Größen erhältlich sind, kann man Hockeyhelme der eigenen Kopfform anpassen. Ein Video zeigt, wie’s funktioniert.
Wenn keine Verschleisserscheinungen, wie z.B. Risse oder Dellen am Helm zu sehen sind, kann er gerne mal 5-6 Jahre verwendet werden. HECC zertifizierte Hockeyhelme haben auch ein „Verfallsdatum“ aufgedruckt, das zeigt, wie lange sie verwendet werden können.
Was bedeuten diese Zertifikate?
Es gibt in den USA zum einen die ASTM (American Society for Testing and Materials). Sie ist eine internationale Standardisierungsorganisation mit Sitz in West Conshohocken, Pennsylvania, USA. Sie veröffentlicht technische Standards für Waren und Dienstleistungen, u. a. auch für Skateboardhelme den Standard ASTM F1492-08. Helme nach diesem Standard müssen die Aufprallenergie von einem Fall aus 3 feet / ~91,44cm bzw. einem Aufprall aus einer Geschwindigkeit von 7 mph / ~11,26 km/h, von über 1000G auf unter 300G reduzieren.
Zum anderen gibt es die CPSC (Consumer Product Safety Commission), eine staatliche Anstalt für Produktsicherheit. Sie schreibt Gesetze für die Produktsicherheit vor. Die Regulierung für Fahrradhelme ist unter CPSC §1203 zu finden. Hier muss die Energie ebenfalls auf unter 300G reduziert werden, jedoch für einen Fall aus einer Höhe von 6 foot / ~182,88cm oder einem Aufprall bei 14mph / ~22,5 km/h.
Weichschaum Helme schaffen es nur auf 400-900G! Finger weg!
Hartschaum Helme auf sichere 168-258G.
Hockey Helme auf 140-275G.
Der Helmhersteller S-One zeigt in diesem Video, wie die Helme getestet werden.
Zuletzt gibt es noch die HECC (Hockey Equipment Certification Council) eine unabhängige Organisation, die eng mit der ASTM zusammen arbeitet um Testverfahren und Standards für Hockeyhelme zu entwickeln. Die Organisation konzentriert sich auf das Testen und Zertifizieren von Eishockey Ausrüstung, speziell Helmen. Hockeyhelme halten sich zudem an die Vorgaben ASTM F1045.
Und so werden Hockeyhelme getestet: Videolink 1, Videolink 2
Fazit: Worauf sollte man beim Helmkauf achten?
Die beste Wahl sind momentan Hockeyhelme, da sie für mehrere schwere Aufschläge über eine längere Zeit konzipiert sind und zudem für eine bessere Passform größenverstellbar sind.
Wenn es dennoch ein klassischer Skatehelm werden soll, ist darauf zu achten, dass er CPSC zertifiziert und so für hohe Aufprallgeschwindigkeiten ausgelegt ist, oder mindestens ASTM zertifiziert, für weniger schnelle Geschwindigkeiten. Nach einem Aufprall müssen diese Helme ausgetauscht werden.
Von unzertifizierten Helmen können wir euch nur abraten!
Ich glaube nicht, dass ihr euch so auf den Track stellen würdet…
Beim Anprobieren sollte der Helm nicht locker, sondern recht fest sitzen. Er darf gerne ein klein wenig drücken, jedoch nicht so stark, dass man den Helm nicht aufsetzen kann oder Kopfschmerzen davon bekommt. Wenn man versucht, den Helm nach vorne und hinten zu schieben, oder den Kopf nach vorne oder hinten schüttelt, darf er nicht leicht verrutschen. Wenn man sich kopfüber beugt, sollte der Helm auf dem Kopf bleiben, auch wenn der Verschluss geöffnet ist.
Am besten ist es jedoch, sich von einem Verkäufer beraten zu lassen und gemeinsam den passenden Helm zu finden.
Skate safe!
Quellen:
http://www.schaedelhirntrauma.net/
http://s-onederby.blogspot.de/2012/04/list-of-best-helmets-for-roller-derby.html
http://s-onederby.blogspot.de/2012/04/list-of-least-protective-helmets-for.html
http://s-onederby.blogspot.de/2013/06/myth-busters-soft-foam-helmets-are-good.html
http://wickedskatewear.blogspot.de/2012/10/protect-that-brain-things-to-know-about.html
https://docs.google.com/document/d/1bwvru-uzg6F5Utm8nH_TZd5lY8TNlCt_578tYVQSvDw/edit?hl=en&pli=1
http://www.astm.org/Standards/F1045.htm
http://www.astm.org/Standards/F1492.htm
http://www.cpsc.gov/PageFiles/111494/regsumbicyclehelmets.pdf
http://www.bhsi.org/cpscstd.htm
http://www.cpsc.gov/
http://www.astm.org/
http://www.hecc.net/
Bilder:
(CC BY-SA 2.0) Brain zipper by Nathanael Burton mathrock
http://www.flickr.com/photos/mathrock/7337066156/in/photostream
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